Bergen


Garry Grant war auch……

Die Uhr an der alten verwitterten Holzfassade steht auf 12 Uhr. Nicht einer verlängerten Pünktlichkeit wegen, denn 12 Uhr mittags ist längst vorbei. Garry Grant ist bestimmt wieder gegangen, wir jedoch warten noch immer auf den Zug welcher uns nach Hamburg bringen soll.

Lörrach 19:23 Uhr – eine der Zwischenstationen auf den 2405 km nach Bergen. Wir kürzen nicht die Strecke, teilen diese in unterschiedlichen Transportmitteln auf. Die Strasse, die Schiene und das Wasser wird uns nach Bergen führen. Nächste Station, Hamburg Altona.

Eine Durchsage über Überschwemmungen und geflutete Stellwerke um Baden-Baden bremste die nächste Station vorerst aus – warten ist angesagt. 22:15 Uhr – die Uhr an der alten verwitterten Holzfassade steht auf 12 Uhr. Mit zwei Stunden Abgangsverspätung und Freigabe der Fahrdienstleitung zieht die SBB Cargo den Tross Richtung Hamburg, wir die Duvets Richtung Träume.

Frühmorgens, die zwei Stunden Verspätung konnten nicht aufgeholt werden, fliegen wir vorbei an Salzderhelden, Radbruch und Petze Hamburg. 10:45, Altona ist erreicht. Runter vom Huckepack, der Wechsel auf die Strasse und über die A7 im sportlichen Tiefflug nordwärts gen Hirtshals wo die MS Bergenfjord uns erwartet.

Knappe 17 Stunden benötigt die Bergenfjord von Hirtshals nach Bergen, inklusive dem Zwischenstopp in Stavanger. Unsere Kabine auf Deck 9 ist nicht nur wesentlich geräumiger, auch der Komfort lässt keine Wünsche offen. Alleine die Nasszelle fühlt sich beinahe so gross an wie die komplette Kabine zuvor im Zug. Das Panoramafenster in der Kabine, schiffsmittig über der Brücke, die Bugspitze im Blickfeld. Gibt es einen Besseren Blick auf das was vor uns erscheint? Nein. Kein Ruckeln, kein Zucken, die Bergenfjord unterwegs Richtung Norwegen.

Den Touchdown von Kopf auf das Kissen beinahe verpasst, geht es nach dem zeitlichen Stressfaktor in die Nachtruhe. Ein weiteres Verpassen, der Zwischenstopp in Stavanger. Unbeeindruckt vom Zustand der Passagiere bringt uns die Bergenfjord mit 14 Knoten dem Ziel Bergen näher und näher. Kurz davor passieren wir die Sotra-Brücke und wir auf Deck 10 stehend, sehen das Haus welches für die nächsten Tage unser Zuhause sein wird. Für einmal geht es nicht Richtung Lofoten, sondern wir bleiben in Bergen.

Den Schlüssel hat Hege im Blumentopf versteckt, einstecken, umdrehen – ja passt. Die Wohnung direkt am Wasser gelegen – die Schiffe fahren fast durchs Wohnzimmer. Ja, hier lässt es sich leben.

Alle Arten von Wasserfahrzeugen werden unsere Blicke kreuzen, von Gummiboot bis zum 315 Meter Kreuzfahrtböötchen. Eben schaute die «MSC Virtuosa» kurz vorbei – 331.43 Meter und gemeldeten 6371 Passagieren an Bord. An diesem Tag meldet «Bergen Havn» mehr als 12’000 ankommende Passagiere aus Kreuzfahrtschiffen. Über12’000 Touristen innerhalb von 2 Stunden – alle anderen Touristen, zu denen auch wir uns zählen, noch nicht berücksichtig. Und die wollen allesamt mit der Fløibanen auf den Fløyen?

Ein Vergleich: Bern – über 12’000 wollen allesamt mit der Gurtenbahn auf den Gurten?

Insel Sotra

Der Weg an die Südspitze der vor Bergen vorgelagerten Insel Sotra führt uns über die Sotra-Bridge. Ist zugleich auch mit etwas Verkehrsbeschränkungen verbunden.  Runter von der Brücke führt die Strasse durch einige provisorische Strassenabschnitte – Auswirkungen und erste Einflüsse der Baustelle zur neuen Brücke und dem neuen Autobahnteilstück.

Über schmale, enge wie kurvige Strassenabschnitte und einer abwechslungsreichen Landschaft, erreichen wir den Süden von Sotra. Ungefähr dort wo du das Nichts erwartest, nichts ausser eine Raue Umgebung geformt durch die ebenso raue See, findest du das Panorama Hotell & Resort. Wie sich herausstellen sollte, ein wahrhaftiger Geheimtipp an der Südküste der Insel Sotra. Wir stehen auf der Fussballplatzgrossen Terrasse vom Hotel und geniessen neben einer atemberaubenden Landschaft das unglaubliche Panorama. Geblendet vom Panorama soll es der Weg zurück nach Bergen richten, einfach mal der Strasse nach.

Bei der Hotelzufahrt schien es eine Art Zoo zuhaben. Den Gedanken dazu lassen die Gehege, die Lamas und Alpakas am Strassenrand stehend, aufkommen. Mal kurz nachschauen was da so… Schottische Hochlandrinder, in der Wasserlache sich suhlende Schweine, welche unzählige Ferkel säugen lassen. Kurzum dieselben im Spurt um die Wette rennen. Emu’s um die Schweine tänzeln, als würden sie die Ferkel bei der «Essensausgabe» bewachen. Hängebauchschweine die sich im Freistil durch Pfützen kämpfen. Letztendlich die «Schotten» allen als Fotomodel die Show stahlen. Lama und Alpaka den Touristen die kalte Schulter zeigen und sich lieber dem Heu zuwenden.

In Klokkarvik soll es eine Norled Fähre geben die mehrmals täglich rüber nach Hjellestad fährt, quer durch die Schären und 2 Zwischenstopps. Doch die Frage wann, wäre noch zu beantworten. Egal, frei nach dem Motto „Manchmal muss man einfach Glück haben, warten oder eben doch über die Strasse zurück“ treffen wir in Klokkarvik ein und sehen gerade noch, wie die Fähre an uns vorbeizieht – Pech gehabt! Es war aber zum Glück nicht die erhoffte Norled-Fähre, sondern die Fjordline auf dem Weg nach Hirtshals. Unsere Fähre liegt gemütlich vertäut im Hafen – in 30 Minuten geht’s weiter! Die Überfahrt nach Hjellestad dauert 35 Minuten. Etwas kurios wird es beim Verladen auf die Fähre an den Zwischenstopps – vorwärts rein, von beiden Seiten, eine Seite parkt verkehrt ein, doch welche? Ein Teil der Autos muss Rückwärts von Bord fahren! Eine ziemlich verwirrende Situation, doch wie das entspannte Verhalten zeigt, ist das hier scheinbar ganz normal!

SOTRA BRIDGE

Das nicht nur zur Schiffsbeobachtung top gelegene Haus wird durch die Baustelle der neuen Sotra-Brücke etwas getrübt. Norwegen spricht dabei von der weltgrössten digitalen Hängebrücke welche zusammen mit insgesamt 9 Kilometer Autobahn am 1. Juli 2027 dem Verkehr übergeben werden soll.

Die grösste digitale Brücke der Welt

Um das Projekt zu realisieren, werden neben werden neben zahlreich Rückgebauten Häusern auch Unmengen an Felsvolumen weg gesprengt. Hügel werden abgetragen, Geländemulden aufgefüllt, Tunnels gbaut. TüT – TüT – TüT – TüT – TüT – TüT – TüT – TüT – Rums, das Haus zittert, eine nächste Sprengung. Drüben am anderen Ufer entsteht der Brückenkopf mit Widerlager und dem einen Pylon für die Hängebrücke.  Vier mobile 200t Krane in perfekter Choreographie, sowie ein Obendrehkran, wetteifern auf engstem Raum um die Materialschlacht. Als wäre das nicht schon genug, steht als «Spielverderber» die 50 Meter lange «Betonpumpe» dazwischen.

Ob und wie das Bauwerk rechtzeitig fertiggestellt werden wird, sei infrage gestellt. Fakt jedoch, die eine oder andere Immobilie im Wertverlust als Verlierer in die Zukunft gehen.

DALE OF NORWAY

Ein kurzer Ausflug nach Dale führt uns in die Heiligkeit der Norweger. Dale – der Inbegriff der Norweger-Pullover. Bei den sommerlichen Temperaturen etwas zu warm für einen echten Norweger-Pullover, hindert uns nicht daran den Factory-Outlet zu besuchen. Das vorliegende Sortiment, zahlreich in der Auswahl, die hohe Qualität in Garn und Verarbeitung so faszinierend wie fordernd, nicht einfach dabei eine Entscheidung zu finden. Die Preise, selbst im Factory-Outlet zwar weit entfernt vom Katalogpreis, dennoch spürbar hoch, findet sich eine Jacke in unserem Einkauf wieder.

Bergen – Oslo, durch die Hardangervidda

Die Hardangervidda, eine einzigartige Hochebene mit einer Gesamtfläche von 8000 km2. Zusammen mit dem Hardanger Fjord macht sie die Fahrt zu einem Naturerlebnis.

In den Wintermonaten ist es nicht ungewöhnlich, in einer Kolonne über die Hardangervidda zu fahren – „kolonnekjøring“, wie die Einheimischen sagen. Dabei Winterreifenpflicht herrscht, ist die Strasse ab Anfang Juni Schneefrei und man kann die Landschaft geniessen.

Auf den kommenden 420 Kilometern laden interessante Orte, Rastplätze und Aussichtspunkte zum Verweilen ein. Noch unten im Tal aufMeereshöhe ein erster Blickfang die Hardangerbrua. Sie ist 1600 Meter die längste Hängebrücke Europas. Zwischen zwei Tunnelröhren gebaut, gilt die Strecke seither als fährfrei. Interessant bzw. unerwartet die beiden Kreisel im Tunnel zur Hardangerbrua.

Kurz nach Eidfjord steigt die Strasse kontinuierlich an – bis zu 8% Steigung – und führt in das spektakuläre Tal Måbødalen. Die Einfahrt in das Tal beginnt mit dem Måbøtunnelen und seinem Doppelkehrtunnel. Von 0.00MüM auf 1000 MüM und das in ein paar wenigen Kilometer. Eines können die Norweger – Strassen und Tunnelbauen.

Kurz nach dem Tunnel ist ein Stopp am Vøringsfossen, Norwegens grösstem Wasserfall, obligatorisch. Wassermassen stürzen in freiem Fall bis zu 182 Meter in die Tiefe und bieten ein faszinierendes Schauspiel. Norwegen hat das Gelände rund um die Fälle mit verschiedenen Aussichtspunkten hervorragend ausgebaut. Speziell zu erwähnen dabei, die neu erstellte Fussgängerbrücke über dem einen Wasserfall. Dennoch, das Gelände ist steil und Felsig – Hochgebirge eben.

Weiter geht die kontrastreiche Reise über weite Hochebenen. Die Hardangervidda hält die unterschiedlichsten Erlebnisse bereit: von der Strasse, die sich träge über die weiten Ebenen schlängelt. Eben noch im engen, steilen und wilden Tal, sieht man sich in den weiten Hochebenen wieder. Rauhe Natur, Seen, Gletscher in der Ferne. Unterschiede in Extremis.

Die Natur so rau sie einem scheinen mag, bietet sie hier oben auf bis zu 1600 MüM einen ganzen Katalog an Fauna und seltene Flora. Das Plateau mit dem Gletscher Hardangerjøkulen im Hintergrund eignet sich hervorragend zum Wandern, und in den vielen Bergseen könnte man sich sicher sein Mittagessen selbst fangen, wenn die Fische beissen. Wir jedoch, etwas im Zeitdruck, begnügen uns mit Sandwich und Cola, verfolgen weiter die Strasse und geniessen das Panorama aus dem Auto heraus.

Egal, ob in Bergen oder Oslo gestartet, die Route über die Hardangervidda bietet Naturerlebnisse vom feinsten und daneben viele Aktivitäten zum Verweilen.

Color Fantasy

Wir sehen uns Norwegen bereits wieder zu verlassen und werden morgen mit der Color Fantasy nach Kiel fahren. Unten auf Deck 3 das Separee für die «Dienstwagen» auf Deck 9 die Kabinen der «Fahrenden». Doch bevor es soweit ist, eine letzte Nacht in Sundvollen. Wenn unterwegs wie immer gebucht bei Booking.com. Nur was Kleines, familiäres – reicht völlig für die letzte Nacht auf norwegischem Boden. Der G-Faktor, gesucht, gefunden, gebucht – wie immer erfolgreich. Sundvolden, das nächste Ziel. Navi programmiert, Slot auf der RV7 liegt vor, nach 127km auf Parkplatz eingebogen. Bist du sicher, dass wir hier Richtig sind? Vergleich mit der Buchung, alles stimmt. Von wegen Klein, familiär – ein Konferenzhotel mit aller erdenklicher Ausstattung. Selbst ein Pistenbully steht vor der Tür. Ohne Raupen, etwas Hilflos, doch er steht da. Einchecken, Zimmer mit Balkon geniessen. Nach dem vorzüglichen Frühstücksbuffet, dem anschliessenden Ausschecken das letzte Teilstück nach Oslo Havn.

Die letzten Tage unseres Tripps stehen vor uns, doch bevor es Richtung Süden geht, dürfen wir in Hamburg den Abzweiger Bremen nicht verpassen. Tageszeit: Papenburg. Die letzten zwei Wochen unzählige Schiffe gesichtet, vom Kanu bis zum 300 Meter Koloss. Doch jetzt gehen wir zu Meyer Werft Papenburg um zu sehen wie die Kreuzfahrtgiganten werden. Doch dazu etwas später in einem anderen Bericht.